Freitag, 12. September 2008

Ostseebad Lubmin


Ostseebad Lubmin
(Gedicht, Entwurf)

Wir haben den Stein, den ungeschliffenen,
zurück ins Meer geworfen. "Hoffnung"
steht auf einem Boot, in roter Farbe,
ein Puppenspieler spielt ohne Publikum
am Strand. Und wieder

Staumeldungen, irgendwo im Radio,
das Ausbleiben der Wellen. Ein Kind
fragt, ob Plankton Tiere seien
oder Pflanzen.

Der Puppenspieler packt seine Sachen
und geht. Was bleibt, ist die Behauptung,
das alles im Meer anfing: das Leben, so
sagst du, vielleicht auch die Liebe. Und
irgendwo da draußen liegt ein Stein,
ungeschliffen ins Meer geworfen,
bis ihn der nächste findet und
zurück schleudert.



Das Badespielzeug kann bestellt werden bei Baby- Walz

Dienstag, 9. September 2008

Blutige Ernte - Warum Dariusz sterben musste

Am Montag, dem 15. September 2008, läuft 22 Uhr auf WDR 3 eine Dokumentation über die Arbeitsbedingungen von Feldarbeitern in Italien - sie kommen meist aus Osteuropa oder Afrika, werden wie Sklaven behandelt, mit Waffen bewacht, geprügelt und auch getötet. Ein erschreckendes Lehrstück über die Folgen der Globalisierung, denn der Beitrag "zeigt auch, wie das billig produzierte und von der EU subventionierte Tomatenmark aus Italien afrikanische Märkte überschwemmt und dort bäuerliche Eigenproduktionen ruiniert. Das Ergebnis – weitere Armutsflüchtlinge aus Afrika und Nachschub für die modernen Sklavenmärkte Europas"
Einen Eindruck in die unmenschlichen Zustände vermittelt der aktuelle Newsletter des Journalisten Jürgen Roth, den ich hier wortwörtlich wiedergebe:

SKLAVENARBEIT IN EUROPA

La terra promessa
Das gelobte Land schien für viele Wanderarbeiter und Erntehelfer aus Polen dort zu sein, wo die Tomaten reifen, die zu den besten der Welt gehören, die aus Foggia. La terra promessa liegt in Apulien, am Stiefelabsatz Italiens, Hoheitsgebiet der Sacra Corona Unita, der apulischen Mafia. Die Gegend gilt als das Gemüseanbaugebiet Nummer eins in Italien. Nachdem einheimische Arbeitskräfte entweder nicht vorhanden oder für die Landwirte und Großgrundbesitzer zu kostspielig waren, öffnete Italien, wie andere europäische Länder, seine Grenzen, um billige Arbeitskräfte anzulocken. Seitdem herrscht ein grenzenloser und teilweise tödlicher Arbeitsvermittlungsmarkt. Die Ernte läuft unter unmenschlichen Bedingungen ab und mehr als jeder zweite Landwirt rund um Foggia beschäftigt illegale Erntehelfer. "Die Arbeiter werden wie Sklaven gehalten und zwar von denjenigen Landwirten, die gleichzeitig EU-Subventionen erhalten", klagte Stephen Huges, ein britischer Europa-Abgeordneter. "Aber es ist nicht alleine ein italienisches Problem."
Am Straßenrand liegt die verkohlte Leiche eines 45-jährigen Mannes, nicht weit davon entfernt stirbt ein 25jähriger Pole an seinen Kopfverletzungen, nachdem er von einem Auto überfahren wurde. In einem verlassenen Schweinestall wird die Leiche eines verbrannten Mannes entdeckt. Um seinen Hals hängt sein Pass. Er kam aus Polen. Ein 35jähriger Litauer stirbt durch Erstickung, andere Erntehelfer aus Polen sind wegen unbehandelter Krankheiten elend krepiert. "Vielleicht hängt diese Krankheit mit schlechten Arbeitsbedingungen zusammen", meinte ein Carabinieri. Geschätzt wird, dass jährlich rund Tausend in Polen oder anderen osteuropäischen Ländern angeworbene Erntehelfer Sklavenarbeit auf süditalienischen Plantagen leisten. Untergebracht sind sie in primitiven Unterkünften, die von der Staatsanwaltschaft in Bari als "Lager sowjetischen Charakters" bezeichnet wurden. Die Arbeiter und Arbeiterinnen mussten auf der nackten Erde schlafen oder in primitiven Zelten. Flüchten konnten sie nicht, da bewaffnete Capos, häufig Polen oder Ukrainer, sie ständig im Auge behielten. Wer zu flüchten versuchte wurde erschossen oder brutal zusammengeschlagen. Als ein Arbeiter es wagte, unerlaubt in der Stadt einzukaufen, wurde ihm mit einer Eisenstange auf den Kopf geschlagen, einem anderen unbotmäßigen Arbeiter wurden beide Arme gebrochen. Andere sind an Erschöpfung gestorben und wurden irgendwo auf den Feldern verscharrt. Die Frauen wurden vergewaltigt und teilweise zur Prostitution gezwungen. Und noch immer werden polnische Arbeiter vermisst. Befürchtet wird, dass sie ermordet wurden. In einem abgehörten Telefongespräch ist folgendes protokolliert: "Ich gehe jetzt ins Feld. Ich lasse nicht zu, dass sie sich so verhalten. Ich habe gesagt, dass ich heute einen oder zwei töten werde, um ein Exempel zu statuieren." Der Capo hatte erfahren, dass einige Arbeiter flüchten wollten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sagte zu diesen Zuständen: "Ich habe nicht erwartet, so etwas in Italien anzutreffen. Die Situation bewegt sich am Rand einer Notlage, wie wir sie zum Beispiel im Kongo oder in Angola antreffen."
Der Einsatz osteuropäischer Erntehelfer ist ein blühendes Geschäft in einer Region, in der nichts ohne die Duldung durch die regionalen Mafiafürsten von der Sacra Corona Unita möglich ist. Die Capos sind häufig Osteuropäer, Caporali genannt. Sie leisten die Schmutzarbeit für die italienischen Landwirte. Abführen müssen sie einen bestimmten Prozentsatz ihrer Einnahmen an die örtlichen Mafiafamilien.
Eines dieser Arbeitslager bei Foggia in denen sie quasi Gefangene waren, um Tomaten zu ernten, wurde Im Sommer 2006 von der Polizei gestürmt. Aber erst nachdem der polnische Honorarkonsul massiv Druck auf die örtlichen Behörden ausgeübt hatte. Auf die Frage, warum die Polizei in Foggia bislang nichts gegen die Sklavenhalter unternommen habe, erklärten Zeugen, dass sie bei der Polizei zwar um Hilfe nachsuchen wollten, aber Angst bekamen, als sie dort die gleichen Gesichter sahen, die mit den Capos ihres Arbeitslagers zusammengearbeitet hatten. Die Carabinieri befreiten neunzig Polen und fünfzehn Slowaken aus dem Arbeitslager. Das Gelände war mit Stacheldraht umzäunt und durch bewaffnete Capos bewacht. Bei ihrer Anwerbung in polnischen Zeitungen wurde ihnen ein Lohn von sechs bis sieben Euro pro 200 Kilo geernteter Tomanten versprochen. Anstatt des versprochenen Lohnes erhielten sie drei Euro pro Tag, für Einkäufe in den umliegenden Ortschaften. Die Arbeitszeit war von vier Uhr am frühen Morgen bis spät in die Nacht hinein. Wer nicht gehorchte wurde brutal zusammengeschlagen. Die Flucht war unmöglich, auch weil ihnen die Reisepapiere abgenommen wurden und keiner italienisch sprach. Für jede Kleinigkeit mussten die Arbeiterinnen und Arbeiter aus Polen zahlen. Die Fahrt zum Tomatenfeld kostete 1,50 Euro, die Unterkunft 5.50 Euro pro Tag in einer fensterlosen Baracke, oder 15 Euro pro Woche im Zelt. Als Nahrung erhielten sie Wasser und Brot, für das sie ebenfalls bezahlen mussten. Bereits in Polen hatten sie 50 Euro für die Vermittlung und 200 Euro für die Busfahrt von Warschau nach Süditalien gezahlt. Sie wollten ihrer Armut entkommen. Im Juni 2007 griffen die Carabiniere erneut zu. Diesmal befreiten sie 113 polnische Arbeiterinnen und Arbeiter. Zeitgleich wurden fünfzehn Verdächtige, davon elf Polen verhaftet. Der italienische Untersuchungsrichter beschuldigt sie der Teilnahme an einer Verbrecherbande mafiosen Charakters.
Der Run nach billigen Arbeitskräften, ihre Vermittlung, ob in Italien, Spanien oder anderswo ist ein Geschäftsfeld sowohl skrupelloser Geschäftsmacher wie der Mafia gleichermaßen. Nichts unterscheidet sie in ihrer Skrupellosigkeit. Werden diese kriminellen Machenschaften aufgedeckt greift der demokratische Rechtsstaat ein. Der hat jedoch diese Form der Ausbeutung erst ermöglicht, durch die enthemmte Liberalisierung des gesamten Wirtschaftssystems. Das nutzen jene aus, die das archaische Klientelsystem der Mafia vielleicht nicht geklont, sondern vielmehr perfektioniert haben.

http://www.wdr.de/tv/diestory/sendungsbeitraege/2008/0915/index.jsp

Webseite Jürgen Roth